Hamed Beheshti, Boreal Light GmbH

Hamed Beheshti, Boreal Light GmbH

© Hamed Beheshti, Boreal Light GmbH

Die Büroräume der Boreal Light GmbH liegen direkt oberhalb ihrer Produktionsstätten und Lagerhalle in einem Industriegebiet an Berlins Stadtrand. Neben dem Konferenztisch steht eine Maschine von sentimentalem Wert:

Das war unsere erste Maschine: Man kann oben "150" lesen. 150 bedeutet, dass die Maschine pro Stunde theoretisch 150 Liter entsalztes Wasser produzierte, normalerweise erreichte sie aber eher 100 Liter. Sie wäre noch immer funktionstüchtig! Heutzutage produzieren unsere Anlagen 100.000 bis 300.000 Liter pro Stunde.

Sie haben bereits sehr früh in Ihrer Unternehmensentwicklung angefangen, die Aktivitäten der Exportinitiative Energie zu nutzen. Im Jahr 2017 interviewten wir Sie schon einmal. Was hat sich seitdem getan?

Unsere erste Teilnahme war eine Geschäftsreise nach Nairobi, Kenia. Es gab damals noch kein einziges installiertes System in der Welt, nur den Prototyp in Berlin. Wir haben seitdem an vielen Reisen teilgenommen.

Es war ein großer Sprung für uns in Bezug auf die Anzahl der Installationen, die Größe der Installationen, das Volumen der Wasserproduktion und die Vielfalt der Produkte und Dienstleistungen, die wir abdecken. Damals konzentrierten wir uns nur auf Trinkwasser. Jetzt haben wir drei weitere Linien in die Produktion aufgenommen: Wir bieten aufbereitetes Wasser für Bewässerung, Fischzucht und sanitäre Einrichtungen an. In den kommenden Jahren sehe ich für Boreal Light mehr Projekte zur Bewässerung. Dieser Bedarf wächst sehr schnell.

In welchen Regionen konnten Sie Ihre Technologien bereits etablieren und wie haben Sie dies aufgebaut?

Momentan gibt es in 24 Ländern installierte Anlagen. Die Vision ist: Bis 2030 in 50 Ländern zu sein und wir sind auf einem guten Weg! Der Großteil des Installationsmarktes liegt immer noch in Subsahara-Afrika. Wir haben in Kenia angefangen, dort eine Produktion aufgebaut und sind von dort aus gewachsen. Die Einrichtung in Kenia deckt derzeit die Anlagen in Westafrika und Südafrika ab, die Maschinen in Botswana, Somalia, Namibia, Somaliland, Senegal, Ghana werden alle von einem Team installiert, das in Nairobi ansässig ist. Sie führen alle Installationsdienste durch. Die jüngste Entwicklung von Boreal Light - seit weniger als zwei Jahren – ist, dass wir Lateinamerikanische Märkte erschließen. Wir wachsen jetzt in Costa Rica, Kolumbien, Ecuador, Chile, Mexiko. Kolumbien hat bislang die meisten Maschinen in der Region erhalten.

Heute, Ende April 2024, sind wir bescheiden und gleichzeitig sehr stolz darauf, dass wir das größte Unternehmen dieser Branche weltweit geworden sind. Weltweit gibt es nur fünf Unternehmen, die solare Wasserentsalzungssysteme herstellen - und wir sind bei weitem das größte. Hier in Berlin arbeiten zurzeit 30 Leute. Und dann haben wir 310 Mitarbeitende in Ostafrika, und fünf in Lateinamerika.

In Europa haben wir das Ukraine-Projekt, das größte solarbetriebene Wasserentsalzungssystem Europas. In der zweiten Kriegswoche, als die Pipelines in Richtung Ukraine bombardiert wurden, verlor eine strategische Stadt namens Mykolaiv ihr gesamtes Trinkwasser. Also installierten wir die Maschine. Und diese Maschine liefert Wasser für eine halbe Million Menschen pro Tag.

Ab 2025 glaube ich, dass der größte Wachstumsmarkt für uns in Südeuropa sein wird: Spanien, Italien, Malta, Griechenland. Dort beobachten wir inzwischen ähnliche Wasserprobleme wie in Subsahara-Afrika und Lateinamerika. Der Unterschied ist jedoch, zum Beispiel in Kolumbien gibt es kein Wasser und auch keinen Strom. In Italien gibt es ebenfalls kein Wasser, aber Strom, dieser ist nur teuer. Daher macht es viel Sinn, auf solarbetriebene Entsalzung umzusteigen.

Wie unterstützt Sie die Exportinitiative Energie?

In der Anfangsphase war die Anerkennung, die Ihre Arbeit uns gebracht hat, Gold wert. Das war absolut das Wichtigste. Wenn man etwas Neues entwickelt, braucht man Anerkennung. Was ist da besser, als auf einer anerkannten Website der deutschen Regierung, zu erscheinen?

Jetzt befinden wir uns in der Skalierungsphase, das bedeutet, dass das Problem nicht länger unbedingt Geld ist. Skalierung erfordert andere Fähigkeiten als der Aufbau von Grund auf. Deshalb spielt Beratung eine wichtige Rolle. In dieser Phase braucht man Expertise, wie man die Produktion mit internationalen Standards modernisiert. Die Produktion hier haben wir aus einem Raum von neun Quadratmetern aufgebaut. Wenn man etwas von klein auf aufbaut, folgt man immer denselben Routinen, die nicht unbedingt die effizientesten sind. Die Beratung, die Unternehmen für diese Skalierung brauchen, ist nicht leicht zu finden, ohne im Gegenzug große Anteile am Unternehmen zu opfern – das ist sehr schmerzhaft für Gründer und Gründerinnen. Wir wünschen uns mehr Beratungsunterstützung, wie zum Beispiel mit den Beratungsgutscheinen Afrika, die das Wirtschaftsnetzwerk anbietet – aber ohne regionale Begrenzung.

Viele der existierenden Unterstützungsprogramme sind sehr auf Technologie fokussiert und nicht auf Unternehmertum. Viele Unternehmen haben brillante Technologien, aber sie hinken im Geschäft hinterher. Die Unterstützung von mehr Geschäftswissen ist viel strategischer und langfristiger als nur die Technologie: Das Wachstum des Geschäfts zu fördern, qualitativ hochwertiges Geschäft.

Hat sich die Art und Weise verändert, wie Sie neue Märkte erschließen?

Für uns hat sich Einiges verändert, aber ich bin noch immer davon überzeugt, dass der Service, den wir vor Ort von den AHK-Büros erhalten, das Wichtigste für Unternehmen wie uns ist. Bis heute haben die Kontakte von der allerersten Konferenz in Nairobi Auswirkungen auf unser Geschäft: Heute habe ich am Telefon mit dem Partner gesprochen, den die AHK mir auf der Konferenz während der Geschäftsreise vorgestellt hat. Und wir arbeiten immer noch zusammen. Unser gemeinsames Projekt ist inzwischen über 8 Millionen Menschen in Ostafrika zugutegekommen.

Also ist es für mich immer noch der beste Weg, in einen Markt zu gehen, sich mit Programmen wie Ihrem in Verbindung zu setzen, an Energie-Geschäftsreisen teilzunehmen. Die Qualität der Dienstleistungen, die Qualität der Kontakte und die Marktstudien sind unglaublich hilfreich. Wenn wir diese Informationen selbst recherchieren müssten, wäre die Hälfte meines Teams nur damit beschäftigt. Mein erster Ansprechpartner in einem Markt ist immer die lokale AHK.

Mit Ihrer Technologie befinden Sie sich genau an der Schnittstelle zwischen dem Energie- und dem Wassersektor. Damit ist Boreal Light ein gutes Beispiel für eine aktuelle Entwicklung: Immer öfter sind integrierte Lösungen notwendig und gerade jüngere Unternehmen wissen nicht, ob sie an Aktivitäten der Exportinitiative Energie teilnehmen können, weil ihre Angebote nicht direkt oder nur teilweise auf Energie konzentriert sind.

Viele der Lösungen, die heutzutage hervorgebracht werden, basieren noch auf der traditionellen Sichtweise von Energie. Aber wir übersehen, dass sich der Boden verschiebt. Eines dieser grundverschiebenden Ereignisse ist der weltweite Bedarf an Wasseraufbereitung. Der Bedarf an Wasseraufbereitung wächst ständig und schnell. Die Rolle der Energie, die dafür benötigt wird, wird zu oft vernachlässigt. Die Energieintensität des Wassersektors ist sehr hoch, ein ständiger Verbrauch. Der Klimawandel zeigt seine Auswirkungen deutlich. Und mit ihm wächst ein riesiger Sektor des Stromverbrauchs, der übersehen wird.

Ich denke, es gibt keinen Weg, sie zu ignorieren - die versteckte Energie im Wassersektor. Die wachsende Nachfrage macht alle Bemühungen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Reduzierung des Verbrauchs zunichte.

Viele Male fühlten wir uns als Unternehmen für solare Wasserentsalzungssysteme wie ein Waisenkind - immer von einer Seite zur anderen wechselnd und nie so wirklich hineinzupassen: Wir sind ein Solarunternehmen, aber nicht so richtig. Wir sind ein Wasserunternehmen, aber auch nicht so richtig. Diese Verbindung zwischen den nachhaltigen Entwicklungszielen 6 und 7 wird vernachlässigt.

Welchen Rat können Sie anderen Start-Ups geben, um internationalen Erfolg zu erreichen?

Mein erster Tipp ist, dass die AHKs in Auslandsmärkten eine Basis bietet, die absolut zu empfehlen ist. Man sollte trotzdem nicht erwarten, dass sie Geschäfte für einen machen. Sie stellen Rohinformationen und Empfehlungen bereit. Aber man selbst ist immer noch derjenige oder diejenige, die das Geschäft zum Abschluss bringen muss.

Zweitens, man sollte wissen, wie man aus seinen Ideen oder seiner Technologie ein Geschäft macht. Das ist etwas, worüber viele der frühphasigen Start-Ups zu wenig nachdenken.

Drittens: Ein Unternehmen ohne Forschung und Entwicklung ist ein totes Unternehmen.