Iris Heinz ist Leiterin DEinternational Projekte & Services bei der AHK Neuseeland.

Innovativ, klein, stark und flexibel – so beschreibt Iris Heinz, Leiterin DEinternational Projekte & Services bei der AHK Neuseeland den Zielmarkt im Interview.

© Iris Heinz

Welche Themen sind in Neuseeland im Bereich klimafreundliche Energielösungen gerade besonders relevant?

Neuseeland gehört weltweit zu den Vorreitern im Bereich Erneuerbare Energien. Ein großes Thema aktuell ist Windenergie - besonders Offshore Wind. Derzeit werden in diesem Bereich die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst. In 2024 sollen sie in Kraft treten. Wir als AHK sehen deshalb Chancen für deutsche Unternehmen der Windbranche in naher Zukunft.

Außerdem hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, die CO2 Emissionen der Industrie radikal zu reduzieren. In Neuseeland bestehen im Dekarbonisierungsbereich ähnliche Herausforderungen wie in Deutschland – erprobte Lösungen können also für beide Märkte relevant sein.

Ein weiteres großes Thema ist die Nutzung von Wasserkraft für die Produktion von grünem Wasserstoff. Neuseeland wird in 2025 als eines der ersten Länder weltweit in die exportfähige Produktion gehen – eine große Leistung für ein so kleines Land. Bald – im zweiten Quartal 2023 – veranstalten wir ein Webinar im Rahmen des Energie Dialogs Deutschland - Neuseeland, in dem wir über die aktuellen Marktentwicklungen im Bereich Energieinfrastruktur und –Speicher inklusive grünem Wasserstoff berichten.

Wie gelingt es deutschen Unternehmen, sich auf der anderen Seite des Globus erfolgreich in den Markt einzubringen?

Die Neuseeländer sind sehr erfahren, mit dieser Entfernung zu Europa oder auch bspw. zu den Vereinigten Staaten, umzugehen. Sie sind flexibel und offen für innovative Ansätze - inklusive der Bereitschaft, noch spät abends virtuelle Meetings wahrzunehmen. Der Markt ist stark vom Preis bestimmt, aber ansonsten dem europäischen Markt sehr ähnlich. Man sollte sein Produkt oder Dienstleistung auf Englisch so beschreiben, dass die Innovation im Vordergrund steht.

Außerdem steht die AHK natürlich mit Information, aber beispielsweise auch bei der Terminfindung zur Seite. Wir haben eine sehr aktive Mitgliedschaft von über 270 Mitgliedern in Neuseeland und Deutschland. Virtuelle Veranstaltungen werden gerne als erste Anknüpfungspunkte genutzt. Im Rahmen der Exportinitiative Energie folgt auf eine virtuelle Veranstaltung im Folgejahr eine physische Reise zum selben Thema. So können zunächst Zeit und Kosten gespart werden.

Gerade läuft in Neuseeland auch ein Konsortialbildungsprojekt der Exportinitiative Energie: Ein Modellvorhaben für die energetische Sanierung und Nachrüstung von Einfamilienhäusern. Wie ist das Projekt entstanden und welche Zukunftsperspektiven ergeben sich daraus?

Wir haben im Januar 2021 eine AHK-Zweigstelle in Wellington eröffnet. Das Konsortialprojekt entstand beim Netzwerkaufbau vor Ort. Die „Building Research Assoziation New Zealand (BRANZ) befasst sich u. a. mit Baustandards in Neuseeland und wurde mit der Überarbeitung dieser beauftragt. Innerhalb dieser Überarbeitung hat BRANZ ein Modellvorhaben angestoßen, bei dem ein Haus aus den 70-Jahren energetisch saniert wird – und zum Einsatz sollen deutsche Technologien kommen. Das Projekt hat mit BRANZ einen strategischen Partner. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass es gelungen ist, ein starkes Konsortium aus sechs deutschen Unternehmen zu bilden.

Die Anhebung der Baustandards auf dem neuseeländischen Markt insgesamt hat die Mängel des Baubestands deutlich vor Augen geführt – insbesondere im sozialen Wohnungsbau. Insofern besteht riesiges Potenzial im Sanierungsbereich. Im sozialen Wohnungsbau haben wir den staatlichen Partner Kainga Ora identifiziert, die einen Bestand von über 60 000 Häusern haben und an der Zusammenarbeit mit deutschen Firmen sehr interessiert sind.

Das deutsche Konsortium wird somit hoffentlich die Möglichkeit haben, einen weiteren starken Partner zu haben. Damit wäre ein sehr nachhaltiger Markteintritt geschafft.

Die AHK Neuseeland betreut auch die Südsee-Region. Welche potenziellen Chancen bieten sich dort für deutsche Unternehmen?

Es ist für uns ein ganz neuer Markt, mit großen Potenzialen in fast allen Bereichen der klimafreundlichen Energielösungen. Die pazifischen Inseln sind ökologisch sehr anfällig und bereits stark vom Klimawandel betroffen. Bisher wird vielerorts noch auf Diesel zur Energieversorgung zurückgegriffen. Stromnetze sind natürlich vorhanden, aber anfällig für Ausfälle. Erneuerbare Energien, Offgrid-Systeme und Inselnetze bieten in diesem Zusammenhang große Chancen zur Autarkie.

Aber auch in den Bereichen Abfall und Kreislaufwirtschaft sehen wir ungenutztes Potenzial. Das wird in den nächsten Jahren sehr spannend. Zunächst konzentrieren wir uns auf die Inseln Tonga, Samoa, Fidschi und Cook Islands und bauen dort Netzwerke auf. Wir freuen uns sehr darauf, die deutschen Firmen in der Erschließung dieser Märkte dabei zu haben.